Pia Stettler
Warm Up – Der perfekte Einstieg ins Training

Ich habe in meiner «Reit-Karriere» gelernt, dass man sein Pferd immer 10 Minuten im Schritt reiten soll, bevor man in höhere Gangarten wechselt. Diese Aufwärmrunde ist wichtig für die Gelenke, Muskeln und Bänder. Besonders wenn man sein Pferd direkt aus dem Stall holt. Aber auch bei einem Weidepferd ist man mit dieser Regel auf der sicheren Seite.
So weit so gut. Aber man kann so ein Aufwärmen noch viel umfassender nutzen. Und davon bin ich je länger je mehr Fan.
Was meine ich mit Warm Up?
Ein Warm Up ist eine Auswahl von Übungen, die mein Pferd oder Muli schon kann. Sie müssen noch nicht perfekt sitzen, aber die Grund-Idee muss verstanden sein.
Ich beginne mein Warm Up immer am Boden. Zum Beispiel: Vorhand und Hinterhand weichen, Rückwärtstreten, zirkeln. Natürlich dürfen diese Übungen noch nicht zu anstrengend sein, da sich, wie oben erwähnt, die Muskeln, Sehnen und Bänder zuerst aufwärmen müssen.
Danach geht es im Sattel weiter. Ich repetiere das schon Gelernte und taste mich so nach und nach vor zu neuen Übungen.
Was ist der Sinn von einem Warm Up, einmal abgesehen von der körperlichen Aufwärm-Runde?
Ich sehe zwei wesentliche Vorteile für uns ReiterInnen:
Du kannst die Fortschritte Deines Pferdes oder Mulis objektiv beurteilen Manchmal ist es mehr so ein Bauchgefühl, ob unser Pferd /Muli heute etwas steifer oder reaktiver oder träger oder was auch immer ist. Mit einem Warm Up kannst Du die Tagesform bis zu einem gewissen Grad messen. Du machst also immer die selbe Übung , zum Beispiel zirkeln und dann die Hinterhand drei, vier Tritte weichen lassen. Nun kannst Du vergleichen: Wie war es im letzen Training? Brauche ich heute mehr Druck? Biegt sich das Pferd/Muli gleich gut oder ist es steifer? Du hast eine einigermassen objektiv messbare Grundlage, um die Tagesform Deines Pferdes/Mulis zu beurteilen. Das Bauchgefühl ist zweifelsohne auch wichtig. Aber dieses Bauchgefühl ist oft beeinflusst durch unsere eigene Tagesform, wie wir uns gerade fühlen.
Du kannst die Kommunikation mit Deinem Pferd/Muli immer weiter verfeinern. Die Übungen aus dem Warm Up sind Dir und Deinem Pferd /Muli vertraut. Ihr beide kennt die Signale. Nun kannst Du von Warm Up zu Warm Up versuchen, die Hilfegebung zu verfeinern. Bis Ihr zum Beispiel die Übungen am Boden am durchhängenden Seil schafft. Diese immer feinere Einstellung hilft Dir auch bei neuen und anspruchsvollen Übungen im späteren Verlauf des Trainings.
Aber auch Dein Pferd/Muli profitiert von einem Warm Up
Equiden sind Gewohnheitstiere. Routine gibt ihnen Sicherheit. Jede Trainingseinheit startet mit alt Bekanntem. Keine bösen Überraschungen. Gerade eher unsichere Zeitgenossen profitieren von dieser Struktur.
Und zu guter Letzt kommt der für mich eigentlich wichtigste Punkt:
Das Pferd/Muli lernt «Ja» sagen. Dein Pferd/Muli kennt die Übungen. Es weiss, was es tun muss um Komfort zu finden. Dein Pferd/Muli kann also immer mit «Ja, kann ich» antworten. Und dieses «Ja» nimmst Du in die schwierigeren Aufgaben mit, bei denen sich Dein Pferd/Muli anstrengen muss, um auf die richtige Lösung zu kommen. Das Pferd/Muli ist im richtigen Mindset, um es einmal neudeutsch auszudrücken. Es kann sich voller Selbstvertrauen neuen Aufgaben stellen, weil es in dieser Trainingseinheit schon so viele Aufgaben erfolgreich gemeistert hat.
Wie stelle ich so ein Warm Up zusammen?
Das ist eigentlich ganz einfach: Du nimmst aus Deinem Bodenarbeits-Fundus einige Übungen, die Dein Pferd/Muli lockern. Wie oben beschrieben sind Verschieben von Vor-und Hinterhand, Zirkeln oder Rückwärtstreten sinnvoll. Aber auch seitliche Biegung im Stehen. Überhaupt alle Übungen, die dem Pferd/Muli die Reiterhilfen vom Boden aus näher bringen sind super wertvoll. Bist Du in der klassischen Reiterei zu Hause gehören dann vermutlich auch Lektionen aus der Handarbeit dazu.
Du kannst das Warm Up am Boden übrigens entweder vor dem Putzen und Satteln oder aber unmittelbar vor dem Reiten machen.

Das Warm Up vor dem Putzen und Satteln ist vor allem für Pferde/Mulis geeignet, die noch nicht so entspannt sind, eben beim Putzen oder Satteln. Wie zum Beispiel Hildegard. Ist Dein Pferd/Muli total relaxt bei diesen Vorbereitungen fürs Reiten, kannst Du das Warm Up auch direkt vor dem Reiten machen. Dies hat den Vorteil, dass Du während des Warm Ups nach und nach gurten kannst und Ihr dann beide richtig gut bereit seid zum Reiten.
Das Warm Up im Sattel

Nun geht das Spiel wieder von vorne los: Du beginnst mit ganz einfachen Übungen am langen Zügel. Und dann kommt eine Lektion nach der anderen dazu. Immer ein bisschen anspruchsvoller. Dein Pferd/Muli wird von Übung zu Übung lockerer und besser bereit für die neu zu lernenden Aufgaben.
Die Übungen für Dein Warm Up sind nicht in Stein gemeisselt. Ihr lernt ja immer wieder neue Lektionen, die könnt Ihr dann wieder ins Warm Up integrieren. Ich habe gewisse Grundübungen, die ich immer abfrage. Und dann variiere ich auch immer ein bisschen, je nachdem was gerade zur aktuellen Tagesform passt.
Noch eine Anmerkung zum Schluss. Es macht auch Sinn das Training mit einer Übung zu beenden, die Deinem Pferd/Muli leicht fällt. Häufig beenden wir das Training, wenn es eine neue oder besonders schwierige Aufgabe erfolgreich gemeistert hat. Häufig ist Dein Perd/Muli dann aber noch unter einer gewissen Spannung. Gib ihm noch ein zwei kinderleichte Aufgaben zum Abschluss. Aufgaben, die ihm leicht fallen damit es sich zum Schluss des Trainings sicher und wohl fühlt. So schliesst sich für mich der Kreis eines erfolgreichen Trainings.
Viel Spass beim Training!