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Wieviel Führung braucht mein Pferd oder Maultier?



Wenn Du mir schon eine Zeit lang folgst, weisst Du, dass es mir wichtig ist mein Pferd/Muli nicht zu kontrollieren. Ich möchte, dass das Pferd oder Maultier eine Wahlfreiheit hat. Aber wie weit kann diese Wahlfreiheit gehen?. Darf das Pferd «alles»? Müssen wir es nicht doch bis zu einem gewissen Grad führen oder sogar kontrollieren? Was ist der Unterschied zwischen Führung und Kontrolle?


Das sind wichtige Fragen. Es gibt ja in der Pferdeszene beide Pole: Die Leute, die ihre Pferde sagen wir mal sehr straff führen und daneben das anderes Extrem. Es gibt immer mehr Pferdetrainerinnen, die die Meinung vertreten, dass schon das Prinzip, dass man einem Pferd das was man von ihm möchte angenehmer macht, als das was man nicht möchte Zwang ist. Totale Freiwilligkeit ist angesagt.


In diesem Blog-Artikel möchte ich versuchen, Dir meine Meinung oder Philosophie, oder wie man das auch nennen mag, aufzuzeichnen. Dieser Artikel gibt Dir also keine praktischen Tipps und Tricks, aber hoffentlich den einen oder anderen Denkanstoss.


Mein Masstab, um zu beurteilen was tiergerecht ist und was nicht, ist immer, zu beobachten wie sich die Tiere ohne uns Menschen verhalten Wie kommunizieren sie? Wie ist ihre soziale Struktur?


Soziale Gruppen brauchen Regeln

Ich bin mit Tieren aufgewachsen und lebe meinen Alltag Seite an Seite mit ihnen. Ich kann sie also genau beobachten. Was auffällt ist, dass Tiere, die in einer sozialen Struktur leben,klaren Regeln unterworfen sind. Es ist klar geregelt wer was darf. Und wer sich nicht daran hält, dem wird zum Teil recht rabiat klar gemacht, dass er gerade eine Grenze überschritten hat.

Zum Beispiel ist es gar nicht zufällig an welchem Platz die Hennen auf der Hühnerstange sitzen. Jede hat ihren Platz und dieser ist von der Hierarchie abhängig. Sitzt eine Henne an einem Platz der ihr nicht zusteht, hacken ihre Sitznachbarinnen so lange auf sie ein, bis sie den Platz wieder räumt.

Ich weiss das klingt nicht sehr charmant, aber nicht umsonst spricht man im Volksmund von Hackordnung


Das soll keine Rechtfertigung sein, grob mit Tieren umzugehen, im Gegenteil. Aber ich denke, um den Tieren gerecht zu werden ist es wichtig zu verstehen, dass die Tiere, die in einer sozialen Struktur klare Grenzen gewohnt sind und sie auch brauchen. Und um diese Grenzen abzustecken muss man nicht grob sein sondern nur konsequent.


Regeln einhalten und Kontrolle ist nicht dasselbe


Die Gruppenmitglieder kennen die Regeln, in denen sie sich bewegen können. Es wird also nicht einfach so aus einem Frust heraus ausgeteilt auch sind Tiere nicht nachtragend oder kennen Gefühle wie Rachsucht. Um bei den Hühnern zu bleiben. Ist die Henne wieder auf «ihrem» Platz ist alles gut und sie hat ihren Frieden. Die Nachtruhe kann beginnen. Und im Normalfall beziehen die Hühner ihren angestammten Schlafplatz und es herrscht Ruhe im Hühnerstall.


Nein, das gibt jetzt keinen Hühner-Blog. Aber dieses Beispiel zeigt doch recht anschaulich wie das funktioniert mit den Regeln in einer Gruppe.


Diese Strukturen haben einen klaren Zweck. Sie bringen Sicherheit. Wenn jeder seinen Platz hat und weiss wie er im Verhältnis zu den anderen steht, sorgt das für Ruhe. Denn das Letzte was ein Tier will, ist ständige Zankerei. Das kostet Energie und es kann auch ernsthaften Verletzungen kommen. Und solche Verletzungen können in der Natur schnell tödlich enden.


Die Gruppenmitglieder können sich in ihren fest gelegten Grenzen frei bewegen. Das heisst, es wird nicht jeder Schritt kontrolliert. Es gibt Regeln die man besser einhält aber mehr nicht. Und diese «Unterordnung» hat auch Vorteile. Die Chefin führt ihre Gruppe – in der Natur ist es tatsächlich meist ein erfahrenes Weibchen. Die anderen Gruppen können sich auf ihre Erfahrung und Souveränität voll und ganz verlassen und wohlbehütet eine eher ruhige Kugel schieben.


Wie verhält sich ein gutes Leittier in der Pferdeherde?

Mein Pauli ist der geborene Leader. Es reicht ein strenger Blick und alle anderen Ponys parieren. Aber alle mögen ihn. Er spielt gerne mit seinen beiden kleinen Shetty-Kumpels und liebt soziale Fellpflege. Kommt ein Fremder in die Herde stellt sich Pauli zwischen den potentiellen Eindringling und seine Herde. Nein, er tut Dir nichts aber Du solltest nicht einmal daran denken einem seiner Schützlinge ein Haar zu krümmen. Und er war das weltbeste Führpony für Ausritte mit den Reitschülerinnen. War Not am Mann machte sich Pauli unter mir gross und gab den andern Ponys damit klar zu verstehen, dass sie ihm folgen sollen, und diese vertrauten ihm und folgten ihm willig. Dank seiner Hilfe war es immer sehr entspannt auch mit einer grösseren Gruppe Ponys unterwegs zu sein. Ich passte auf die Reitschülerinnen auf, so weit wie nötig und er auf die Ponys.


Ich sage meinen Reitschülerinnen immer wieder: Beobachtet Pauli und versucht bisschen zu sein wie er.


Was heisst das für uns?

Was heisst das nun für uns? Wie gesagt, wir sollten uns verhalten wie ein Leittier. Wir sollten unsere Pferde mit Umsicht führen. Handeln wir selbstsicher und souverän, fühlt sich das Pferd bei uns wohl und wird sich uns gerne anschliessen. Und sind wir souverän brauchen wir unser Pferd auch nicht zu kontrollieren. Es soll selber seine Erfahrungen machen dürfen, ja auch Fehler. Aber die Regeln der Herde müssen wir einfordern. Das gehört zur Rolle des Chefs. Denn diese Regeln sind nicht Selbstzweck sondern sind unverzichtbar für die Ruhe und die Stabilität in der Gruppe. Pferde checken ihre Position in der Herde ab, in dem sie ihre Räume abstecken. Latscht Dein Pferd in Deinen Raum oder rempelt Dich sogar an ist das nicht nur je nach Situation gefährlich für Dich, sondern mit diesem Verhalten überprüft Dein Pferd mehr oder weniger subtil, ob Du als Führerperson geeignet bist. Also ob es Sinn machen könnte sich Dir anzuschliessen. Bist Du fair, nimmt das Pferd es Dir auch nicht übel, wenn Du die Grenzen absteckst. Für das Pferd ist das völlig normal. Nur wir Menschen haben aus unserer Perspektive oft Mühe diese Grenzen zu ziehen.


Bei Maultieren verhält es sich grundsätzlich ähnlich. Der Esel lebt jedoch nicht in einem engen Sozialverband wie ein Pferd sondern in einer losen wenig hierarchischen Gruppe. Deshalb wird sich Dir das Maultier sich nie so einfach anschliessen wie ein Pferd.


Ich hoffe ich konnte Dir mir diesem Artikel ein bisschen Stoff zum Nachdenken liefern.

Und wenn Du unsicher bist, beobachte Deine Pferde in der Herde so genau wie möglich. Sie zeigen Dir eigentlich ziemlich klar wie sie geführt werden möchten. Sie wissen ja am besten wie Pferde ticken – besser als jeder Pferdetrainer.


Viel Spass mit Deinem Pferd oder Maultier


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